Sistercity Silkroad Chengdu-Linz

Es war der deutsche Geograph Ferdinand von Richthofen, der Ende des 19.- Jahrhunderts erstmals den Begriff der Seidenstraße prägte und damit jenes alte Netz von Karawanenstraßen beschrieb, dessen Hauptrouten von Ostasien über die Steppen Zentralasiens bis nach Mittel- und Zentraleuropa führten. Auf der antiken Seidenstraße, die ihre größte Bedeutung zwischen 115 v. Chr. und dem 13. Jahrhundert erreichte, wurden nicht nur wertvolle Güter wie Seide, Wolle, Gold und Silber zwischen völlig andersartigen Kulturräumen transportiert; Das tausende Kilometer lange Wegenetz nutzen nicht nur Kaufleute, Gelehrte und Armeen für ihre Zwecke, auch Religionen, politische Ideen und ganze Kulturkreise diffundierten und migrierten auf den Routen von Ost nach West bzw. West nach Ost.

Auch die so genannte „Neue Seidenstraße“ als milliardenschweres Vorzeige-Infrastrukturprojekt Chinas dient zunächst vor allem dem Warenaustausch. Unter dem Titel „One Belt, one Road“ – „ein Band, eine Straße“ werden seit dem Jahr 2013 die Interessen Chinas unter Präsident Xi Jinping zum Aufbau- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastruktur-Netze gebündelt. Mehr als 60 Staaten aus Asien, Afrika und Europa haben sich dem Projekt angeschlossen – die neue Seidenstraße erschließt somit sagenhafte 62 Prozent der Weltbevölkerung und umfasst mehr als ein Drittel der gesamten Weltwirtschaft. „Wer diese Straße kontrolliert, beherrscht die ganze Welt“, hieß es bereits über die antike Seidenstraße. Ebenso liegt die geopolitische Bedeutung der Seidenstraße des 21. Jahrhunderts auf der Hand, zumal sie Chinas wirtschaftlichen und auch kulturellen Einfluss entlang ihrer gesamten Route stärken wird.

Faktor Zeit, Faktor Umwelt

Benötigt ein Containerschiff rund acht Wochen Zeit, um Waren von den wichtigsten chinesischen Warenumschlagsplätzen wie Schanghai nach Europa zu verfrachten, kann dies mit der Eisenbahn auf der neuen Seidenstraße in lediglich zwölf Tagen bis zwei Wochen erledigt werden – also in bloß einem Viertel der Zeit und das wesentlich umweltfreundlicher. Schon jetzt verkehren regelmäßig Züge von China in maßgebliche deutsche Logistikzentren wie Duisburg oder Hamburg. Der Infrastrukturausbau auf der neuen Seidenstraße ist aber erst am Beginn. Tausende Kilometer Schiene werden Jahr für Jahr verlegt, dazu kommt ein ambitionierter Ausbau der Autobahnen.

80.000 Kilometer Autobahn hat China allein in den vergangenen zehn Jahren errichten lassen. Die „Neue Seidenstraße“ erschließt nicht nur Chinas „Wilden Westen“, jene Landesteile des Reichs der Mitte, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit dem steilen wirtschaftlichen Aufstieg mithalten konnten und als vergleichsweise rückständig gelten; sie führt über verschiedene Landkorridore auch nach Bangladesch, Indien und Myanmar, sie durchquert in Zukunft die Mongolei und Russland und sie bahnt sich über die „neue eurasische Landbrücke“ auch den Weg nach Mitteleuropa. Diese Route führt durch China, Kasachstan, über Moskau, die Ukraine und die Slowakei bis nach Österreich. Ende April 2018 traf der erste direkte Güterzug von Chengdu in China in Wien ein. Er hatte 9800 Kilometer Landstrecke in lediglich 14 Tagen zurückgelegt und die mit Elektronik- Bauteilen, LED-Lampen und Schlafsäcken beladenen 44 Container somit vier Wochen schneller als über den Seeweg nach Österreich gebracht. Die ÖBB-Tochter Rail Cargo will bereits 2018 400 bis 600 Züge auf der neuen Seidenstraße zwischen China und Österreich rollen lassen.

Kreativität auf Schiene

In Zukunft muss es gelingen, dass direkte Züge von China nach Österreich auf der Westmagistrale der ÖBB bis nach Linz fahren. Zwischen der 15-Millionen-Einwohner-Metropole Chengdu als ältester Partner Stadt der „Steel City“ an der Donau könnte so eine „Sister City Silk Road“ entstehen, deren Zweck sich nicht allein auf den Warentransport beschränkt, sondern vor allem auf den Austausch von Kreativität. „Mit der südchinesischen Millionenmetropole Chengdu verbindet Linz eine erfolgreiche 35-jährige Städtepartnerschaft. Durch die intensiven Bestrebungen zur Wiederbelebung der alten Seidenstraße, deren Handelswege von China bis nach Linz führen sollen, werden sich die beiden Partnerstädte noch stärker voneinander profitieren“, sagt Bürgermeister Klaus Luger.

„Seit jeher war der Ausbau von Mobilität das entscheidende Schlüsselereignis für das Aufkeimen von Innovation und Zivilisation. Die alten Routen erwachen zu neuem Leben – so wie etwa die Seidenstraße, die aktuell unter enormen Anstrengungen von China wiederaufgebaut wird. Es ist unbedingt notwendig, Österreichs Kreativquartiere zusammenzuschließen, denn Innovationsnetzwerke entstehen nicht zufällig“, so Chris Müller, CEO von CMb.industries.

An dieser Stelle kommt die so genannte AUTline als neue Produktionskette der Creative Industries ins Spiel. Wie an einer Perlenkette aufgefädelt werden entlang der Westbahnstrecke Hubs entwickelt, die durch die Infrastruktur der ÖBB verbunden sind. Mit der Triebkraft der Kreativwirtschaft kann so ein pulsierendes Band durch Österreich gezogenen werden, das ein zugkräftiges Pendant zu Tel Aviv und dem Silicon Valley darstellt. Die AUTline als Teil der europäischen Seidenstraße kann in Wien, Salzburg und Linz angeflogen werden und bietet in ihren durch die ÖBB angedockten Stationen (Flughafen Wien-Schwechat, Wien, St. Pölten, Amstetten, Linz, Wels, Attnang-Puchheim, Kammer Schörfling, Salzburg) Werkstätten, Fab-Labs, Programmierstuben, Neues Arbeiten, Neues Handwerk und Neues Wohnen.

Ein direkter Verkehrsweg zwischen Linz und seiner Partnerstadt Chengdu eröffnet ungeahnte Möglichkeiten interkontinentalen Austausches – so könnten sich Kreative in eigens dafür designten Waggons – etwa in der Remise Amstetten – auf der Fahrt nach China mit KollegInnen vernetzen und gemeinsam an zukunftsweisenden Projekten arbeiten. Die 14-tägige-Bahnfahrtfahrt verändert nicht nur das eigene Mindset, sie fördert als mobile Innovationsschmiede auch den kulturellen Austausch und das Denken über alte Grenzen hinweg.

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